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„Schockierend“ – EU vernachlässigt Rohstoffe bei Aufrüstung

Bernd Schäfer befasst sich als CEO von EIT RawMaterials täglich mit Lieferkettenrisiken bei Rohstoffen. Er sieht gravierende Mängel in der EU-Rohstoffstrategie. Verfasst von Judith Henke, publiziert am 15. August 2025 im Handelsblatt.

Frankfurt. Lange warnten Experten vor Chinas Dominanz bei kritischen Rohstoffen – doch als Peking dieses Jahr plötzlich Exportkontrollen für schwere seltene Erden verhängte, war die Industrie trotzdem überrascht.

Besonders heikel: China erlaubt die Ausfuhr dieser Rohstoffe nur noch, wenn ihre Nutzung in militärischen Anwendungen ausgeschlossen werden kann. Da die Volksrepublik bei der Weiterverarbeitung schwerer seltenen Erden fast ein Monopol hat, könnte sie Europa mittelfristig faktisch ausbremsen – auch bei der Aufrüstung.

Diese Maßnahme könne „durchaus als eine Art Erweiterung des geopolitischen Konflikts verstanden werden“, sagt Bernd Schäfer, CEO von EIT RawMaterials. Das EU-finanzierte Netzwerk aus Forschungseinrichtungen und Unternehmen soll Europas Rohstoffsicherheit stärken.

Doch derzeit sei die Europäische Union von ihren selbst gesetzten Zielen weit entfernt, mahnt Schäfer im Interview mit dem Handelsblatt. Die EU müsse dringend handeln und etwa eine zentrale Förderplattform für Rohstoffprojekte einführen, sagt er. Denn: „Je länger die EU untätig bleibt, umso verwundbarer macht sie sich.“

China hat mehrere verteidigungsrelevante Rohstoffe auf seine Exportliste gesetzt. Erste westliche Rüstungshersteller berichten, dass China seit Monaten keine dieser Mineralien mehr liefert. Ist das nicht schon eine indirekte Kriegserklärung Chinas?

Dass China für die Rüstungsindustrie wichtige Rohstoffe wie schwere seltene Erden, Germanium, Gallium, Grafit, Antimon, Wolfram und Beryllium nicht mehr in den Westen exportiert, kann durchaus als eine Art Erweiterung des geopolitischen Konflikts verstanden werden. Zur Wahrheit gehört aber auch dazu, dass wir Europäer an Chinas Machtstellung nicht ganz unschuldig sind.

Inwiefern?

China hat seine Monopolstellung bei diesen Rohstoffen über Jahrzehnte aufgebaut, während Europa nicht in seine eigene Wertschöpfungskette investiert hat. Das wäre möglich gewesen. Europa hat eigene Vorkommen, etwa bei Seltenen Erden oder Wolfram, diese aber aufgegeben oder nicht zur Mine weiterentwickelt. Dasselbe gilt für die Verarbeitung: Die Technologie und das nötige Fachwissen wären da gewesen und sind es immer noch.

Wenn das Potenzial vorhanden war – wieso wurde das denn nicht genutzt?

Wie heißt dieser Werbespruch? „Geiz ist geil.“ Nach dieser Devise hat die europäische Industrie gehandelt. Das chinesische Material – meist staatlich subventioniert – war günstiger als das westliche. Und für die Unternehmen zählt jeder eingesparte Euro mehr als eine resiliente Lieferkette.

Findet hier jetzt ein Umdenken statt?

Ja, zumindest haben nun einige Unternehmen bemerkt, was der Preis ihrer vermeintlich günstigen Einkaufsstrategie war. Denn die Kosten einer Produktionsunterbrechung sind höher, als einen etwas höheren Preis für nicht-chinesisches Material zu zahlen.

Fragt sich, wie langfristig dieser Lerneffekt ist. In den USA will man sich jedenfalls nicht darauf verlassen. Dort hat die Regierung kürzlich eine Mindestpreisgarantie für Seltenerd-Oxide eingeführt. Wäre das auch eine Lösung für Europa?

Das ist nur eine von vielen Möglichkeiten, aber zumindest handeln die USA, anders als die EU derzeit. Richtig ist: Die aktuellen Seltenerdpreise haben wenig mit realen Fundamentaldaten zu tun, sondern werden von der chinesischen Regierung vorgegeben. Sie sind so niedrig, dass sie der westlichen Konkurrenz einen Markteintritt erschweren. Es muss also einen europäischen Preismechanismus geben, der sich an marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen orientiert. Denkbar wäre etwa eine eigene europäische Handelsplattform, ähnlich wie die Londoner Metallbörse.

Dafür muss es aber erstmal genügend westliches Material geben, mit dem gehandelt werden kann.

Das stimmt, und auch hier muss die EU dringend handeln. Bergbauprojekte haben eine lange Vorlaufzeit, dafür lassen sich Recycling-Kapazitäten schnell hochfahren. Derzeit werden noch viel zu viele Schrotte aus Europa in die USA und auch nach Asien verkauft, auf diese Weise wird die EU ihr Ziel, bis 2030 mindestens 25 Prozent des jährlichen Bedarfs an strategischen Rohstoffen durch Recycling zu decken, nie erreichen. Derzeit liegt die Quote bei kritischen Rohstoffen bei acht Prozent.

Viel Luft nach oben also. Sie spielen auf den Critical Raw Material Act (CRMA) der EU an. Ein weiteres darin formuliertes Ziel: Maximal 65 Prozent des jährlichen Rohstoffverbrauchs dürfen aus einem einzelnen Drittstaat stammen. Wie realistisch ist das?

Auch hier muss die EU ihr Tempo erhöhen, vor allem bei Rohstoffpartnerschaften mit anderen Staaten. Hier wurden zwar Absichtserklärungen abgeschlossen, aber es genügt nicht, diese stolz einzurahmen und im Büro aufzuhängen. Es fehlen konkrete Abnahmeerklärungen von konkreten europäischen Partnern, Mengenangaben und Fristen.

Ein weiteres CRMA-Ziel ist es, zehn Prozent des Bedarf durch heimischen Abbau und vierzig Prozent des Bedarfs durch heimische Verarbeitung zu decken. Wie weit ist hier die EU?

Auch hier gilt: Die EU hat sich lediglich Ziele gesetzt, aber mehr nicht. Es wurde nicht einmal definiert, bei welchen der als kritisch und strategisch eingestuften Rohstoffe die Priorität besonders hoch ist. Und es wurde auch nicht festgelegt, wie viel Geld für die Umsetzung der Ziele ausgegeben werden soll. Es gibt auch kein klares Finanzierungskonzept.

Aber es gibt doch mehrere EU-Förderprogramme?

Ja, das gleicht einem Apothekenschrank mit 200 Schubladen, die erstmal durchsucht werden müssen, um das Passende zu finden. Bei Förderprogrammen agiert die EU viel zu föderalistisch und fragmentiert. Die Antragsstellung ist viel zu bürokratisch aufgebaut. Ich plädiere hier für eine zentrale Anlaufstelle für Förderungen und Kredite. Je länger die EU untätig bleibt, umso verwundbarer macht sie sich.

Auch im Hinblick auf die Fähigkeit, eigenständig aufzurüsten. Hat die EU dieses Risiko im Blick?

Im Gegenteil. Im Juli hat die EU ihren mehrjährigen Finanzplan (MFR) vorgestellt und darin 131 Milliarden Euro für Verteidigung vorgesehen. Doch welches Thema komplett dabei fehlt, sind Rohstoffe. Das ist aus meiner Sicht schockierend und schwer zu erklären. Es sollte doch mittlerweile klar sein, dass die Verteidigungsfähigkeit mit der Verfügbarkeit strategischer Rohstoffe steht und fällt.

Handelsblatt Interview Bernd Schaefer (DE)

Handelsblatt Interview ENG (machine translated)

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